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Heike Bühler und Jan Nehring haben sich auf die Suche nach Leben gemacht, wo man es kaum vermuten würde. Sie haben Sperrholz aus Müllcontainern in einem sehr teuren und einem gerade im Gentrifizierungsprozess befindlichen Stadtviertel gefischt und zu Wandinstallationen und Sitzmöbeln verarbeitet. Die Preisschilder an den Werken machen stutzig: Was aus dem Müll der schon länger Reichen gezimmert ist, kostet zehnmal so viel wie das, was der Müll der neuen Mittelschicht hergibt. Ergebnis einer simplen Formel: „Wir hängen einfach eine Null an den Preis“, sagt Bühler. „Also, wenn man so will, nichts.“ Dass jetzt Dosenbier auf den Bänken und Schemeln getrunken wird, wo man früher im Le-Corbusier-Sessel am Martini nippte, macht den „COMOclube“ ein Mal mehr zur idealen Galerie.

 

Mathias Becker, Sao Paulo

Sao Paulo

Der Stuhl, der nun vor ihnen steht, ist aus dem Holz zusammengebaut, das sie in Higienopolis gefunden haben. Eine Bank, aus dem Material in der Nähe einer Favela in Vila Madalena, steht noch im Atelier.

 

Die These, dass man den schönsten Müll in dem reicheren Stadtteil findet, hat sich nicht bestätigt. Das Holz aus Higienópolis ist von schlechterer Qualität. Dennoch findet Heike, dass der Stuhl schlichter geworden ist und mehr Stil hat.

 

Sie haben zusammen gebaut, aber ihren Input sieht Heike vor allem in der Idee, den Stuhl aus Higienópolis zum Preis eines Durchschnittseinkommens eines reichen Bürgers und die Bank aus Vila Madalena zu dem von einem Niedrigverdienenden zu verkaufen. So könne man den Kunstmarkt kommentieren und karikieren.

 

Carolin Overhoff Ferreira, Sao Paulo

Hamburg

Indem Heike und Jan weggeworfene Möbel und andere Dinge aus Holz in den Nachbarschaften von St. Pauli, Rothenburgsort und Nienstedten sammeln, kreieren die beiden Künstler eine auf Material basierende Kartografie Hamburgs. Da für das Projekt drei Tage bleiben, haben sich Heike und Jan für drei Stadtteile entschieden: Rothenburgsort verkörpert hierbei den aktuell ärmsten Stadtteil Hamburgs, St. Pauli ein gesundes Mittelmaß und Nienstedten ist der Ort Hamburgs, wo die Bürger Hamburgs offiziell am vermögendsten sind und das höchste Nettoeinkommen haben. „Es ist sehr auffällig – unserer Meinung nach kann man den puren Materialien, aus denen wir die neuen Möbel bauen, tatsächlich ansehen vorher sie stammen.“ Sie deutet auf einen just in diesem Moment fertig gestellten quietsch-violetten Lounge Chair, zusammengebaut aus den Elementen eines ehemaligen Gartentischs, und sagt: „Der hier, der ist ganz klar aus St. Pauli. Sieht man doch sofort, oder? So fröhlich und bunt. Es ist ziemlich einfach auf St. Pauli an weggeworfene Möbel zu kommen. Die Leute stellen ihre alten Sache ganz nonchalant auf die Straße. In Rothenburgsort hatten wir erheblich größere Probleme Holzmaterialien zu sammeln. Wir mussten tatsächlich erst auf ein Industriegelände gehen und intensiv suchen. Auf St. Pauli stolperten wir fast an jeder Straßenecke über brauchbares Material. Ich bin gespannt, wie es in Nienstedten sein wird. Vielleicht finden wir da als krassen Gegensatz Teakholz und Leder auf der Straße?! Wir werden sehen.“

 

Jan: „ Meine Theorie ist: Da die Leute, die auf St. Pauli leben, im Durchschnitt mittlerweile relativ wohlhabend sind, gehen sie unbeschwerter mit ihren Dingen um. In Rothenburgsort wird wahrscheinlich stärker recycelt, da die Menschen weniger zum Leben haben. Sobald jemand etwas auf die Straße stellt, dauert es nicht lange bis sich ein neuer glücklicher Besitzer finden lässt. Weil auf St. Pauli mehr Wohlstand herrscht als in Rothenburgsort, stehen hier weggeworfene Dinge auch länger auf der Straße.“

 

Heike: „Ich finde, das Material, das wir in Rothenburgsort gefunden haben, sieht im Vergleich zum St. Pauli Holz richtig traurig aus. Das Holz aus St. Pauli ist nicht nur vom Anstrich her kreativer, sondern es ist auch hochwertiger.“

 

Annika Väth, Hamburg